Im Land

Am Stoppelfeld
das Herbstgefühl
schon Einzug hält –

wenn auch noch Sommer,
weiß man ums Leben,
dass seine Zeit
nicht wiederkommt,
wie Frühling, Jugend,
Kinderheit

Moos

Grün liegt auf dem toten Ast,
darin spürt sich eine Kraft,
immer ist was in Bewegung,
immer gibt es eine Strömung

Abgefallen, regungslos, es trügt –
kein Ast ist wirklich abgestorben,
im Lichte wachsen Pilze, Moose,
und innen and're Wesensformen

Grün da auf gebroch'nem Ast,
Veränderung der Dinge Maß,
sonst wär nur Nichts, vielleicht,
und Welten nicht im Fluss

Kulturen auf gefällten Bäumen,
die Menschheit stellt sich ruhelos,
im Schlaf und später noch im Tod
bleibt alles voller Leben auch,

bleibt alles voller Leben

Wo

Im kleinen Glück schlägt die Sekunde,
im großen ruht die ganze Welt,
im Kleinen macht die große Welt die Runde,
zurück das Ende schon auf allen Anfang fällt

Und will die Wurzel auf ins Sonnenlicht,
muss sie den Baum, die Blume wählen,
um aus dem Erdengrab ihr Lebenszeichen zu versenden,
erspart sie sich die dunkle Ruhe nicht

Das kleine Glück, es fasst sich kurz,
das große sucht sich um die ganze Welt,
Minuten sammeln sich zur Stunde,
und Jahre sind Versprechen, die nur das Leben hält

Uhrwerk

Sein Zeiger schleppt Sekunden
kreisauf, kreisab, Runde um Runde,
tausendvierhundertvierzig mal tagdurch und nachts,
ob Quarz, ob Unruh, ganz kleingroßes Wunder
von Menschengeist und -hand,
doch ist im Wesen nicht die Zeit

Es läuft sich ab aus seinem Mittelpunkt,
wie vom Olymp hoch über Weltengraden
verordnet es Minuten und Stunden zwölf im Takt,
es saugt die Gegenwart in seinen schwarzen Strudel,
was an Erinnerung entkommt,
verfängt im Netz verlassener Daseinsstationen

Z macht die Runde

Wolkenspiel und Abendwind,
schwerer Bordeaux und Lebenskind,
die Uhr auf 17 52 vorgerückt

Um 4 zur Nacht die ersten 15 Jahre dagewesen,
auf 90 bei Tagesmitte 45 schon erreicht,
4 Stunden später dann die 60 abgelesen

Und so gesehen – drastisch geht um die liebe Zeit

V. C.

Viruslaw C. frisst sich durchs Weltgeflecht,
Invasion in Land und Leute, Stadt und Raum,
präpotent Planetenlast des Sapiens zu dezimieren

Ihm scheint ein Rachen süß und Lungenbrei nicht minder,
er schleicht ins kleine, große Miteinander,
sein Einmaleins und Exponentialgehabe springt Bock
über längst krummgebeugtes Menschentum

Sein Hochgesang verfängt gleichunter Kreuz und Minaretten,
den Göttern da wie dort das A und O streitig zu machen,
zum langen Marsch bleibt er im Seelenfeingewebe einquartiert

Geburtstag

Die Sechsundsechzig offenbar
sind ein ganz besondres Jahr,
doch Leben fängt nicht dann erst an –
es wär ja schade drum, die lange Zeit davor
anders als wertvoll zu bemessen,
die Fünfund-, Vier- bis Einundsechzig
gleichermaßen zu vergessen

Was weiter zählt:
noch jede Stunde zu genießen,
all die Augenblicke, aus denen Freude,
Glück nicht nur, auch Innehalten,
nachdenkliche Erkenntnis fließen,
letztendlich, dass man am neuen Morgen
nur um den einen Tag älter geworden

Wolken

Wolken und Regen,
immer kommen sie wieder,
Blüten und Blätter
schon treiben im Wind,
vor Schatten und Licht
flimmern sonnige Wege,
unter Steinen und Gräsern
schwingt ein Gleichgewicht

Wolken und Tränen,
wir sehen uns wieder,
Meere und Herzen
sind stürmisch, nicht still,
unruhige Zeiten,
es steigen die Nebel,
Wälder und Felsen,
der Fluss schwebt dahin

Sterne und Nächte,
immer wieder und wieder,
Tage und Träume,
im Karussell lacht ein Kind,
verstehen und fragen,
so braucht es die Liebe,
und am Himmel die Sehnsucht
zieht vorbei wie ein Lied

Wieder

Winter kommt bald angerauscht,
Sommer hat Herbst eingetauscht,
Himmel grau und äckerweites Irden –
dem abendfeuchten Auge reichts,

dass wieder Wieder wiederkommt

Nun gut, es muss der Blüte wohl
die lange Ruhe zugestanden sein –
des Menschen Hin-und-her-getriebe
doch heißt, ein jedes Innehalten
mit Licht und Lärm zu konvenieren

Getarnt als unscheinbare Stunde
zerwirft noch obendrein zentrales Zeitgeschiebe
den Takt gewohnt vertrauten Sonnengangs,
der monatsüber nur behutsam zuzumuten
schrittweise die Tage kürzer uns beflutet

beyond

eight billion people to mess up the earth
to roam beyond deadlines of no return
praise their ambitions for heavenly taste
eight billion grown into masters of waste

Septemberfluss

Septemberfluss,
an dem entlang ich gleite,
vorbei an frisch gefurchtem Ackerland
und auch am Grün,
das saftig noch im Winde wogt

Voll Wehmut dann
durchpflügt der Blick die Weite,
wo sich, Jahresgezeiten anverwandt,
Idylle spreizt,
in Übergang und Abgesang erprobt –

jetzt und fortan

           

Haiku LXXIV-CXVIII / coronazeitlich

1
Kleine Viruslast,
verstreunt sich durch alle Welt,
ganz großes Hallo

2
In the air tonight,
tête-à-tête and face to face,
breath-taking moments

3
Lichtwellen branden,
Sonnengischt im Zellentanz
verströmt ihre Kraft

4
Dort allerorten
entstehen nun Kohorten,
die Viren horten

5
Wissen ums Sterben
macht zerstören zu können,
führt Willen zur Tat

6
Nicht ob sondern wann
wird der Weg sich verzweigen,
wen zu gehen dann

7
Nicht ob sondern wann
wird ein Ast sich verzweigen,
und wo bricht er dann

8
Natur würfelt nicht,
sie muss auch nicht entscheiden,
wie der Mensch vergeht

9
Maskenparade,
Karneval der Mikroben,
Leichnahme rundum

10
Das Prinzip Erde,
alles dreht sich um sich selbst,
der Mond, zugewandt

11
Zur Rede gestellt,
die Nicht-mehr-ein-noch-aus-Welt,
ihr das wohl missfällt

12
Noch in der Schwebe,
pandemisches Enigma,
Bestattungsakkord

13
Der lange Atem,
er hat sich davongemacht,
unwiederbringlich

14
Ins Buch des Lebens,
das Corona der Schöpfung,
Seite für Seite

15 [tanka]
Red indians' death-blow
is not lost in history,
»wounded knee« you know –
still in two thousand twenty
black life knelt out by police

16
Kampfschleuder 19,
Covid gegen Goliath,
großangriffsflächig

17
Stirn wird geboten,
das geht schon mal ins Auge –
Zyklopiade

18
Heute schon wieder,
umfängliches Zahlenwerk,
im Erregungstakt

19
Covidrigkeiten,
kontinentübergreifend,
kontaktabweisend

20
Umarmungsnotstand,
reich' nicht die Hand fürs Leben,
Berührungsarmut

 

21
soirée covidanse,
les habitudes en prison,
sourire disparu

22
sous l' ciel du coro,
on aime tenir à distance,
tout le monde chez soi-même

23
en covidisneuf,
beaucoup d' distance en avance,
atmosphère de gris

24
ça vole en poumons,
atterit pour atterrer,
ne suit que son cours

25
Irren war menschlich,
ob als Weg oder als Ziel,
anthropozänisch

26
Schon in den Jahren,
seine Zeit war gekommen,
bitter im Abgang

27
Corona spottet,
nützlich Dummheit, Herdentrieb,
heißer sein Eifer

28
Coronanowicht,
Hals-über-Kopf-invasiv,
springteufelt im Hirn

29
Sars-Cov-2-samkeit,
symbiosphärisch geklärt –
es bittet zum Tanz

30
Jetzt sind wir Virus,
vorläufiger Höhepunkt,
erfolgreich gekürt

31
Grillspiel mit Feuer,
palavern mit Kadavern,
im Rachen gerächt

32
Balance außer Kraft,
entropische Lethargie,
wirkungsgetroffen

33
Ursache, Wirkung,
wir und ich und Saat und Staat,
kulturdünnes Eis

34
Stochern im Nebel,
Unmüter proben den Trotz,
Verdrängung auf Sicht

35
Gebt Bienen Zucker
und klaut ihnen den Honig,
Ausbeutung volksnah

36
Ich warte auf mich,
woran erkennt man sich noch –
gib mir ein Zeichen

37
Hinter der Maske,
Gesichtszug auf Abstellgleis,
Entmündigung light

38
Nase, Rachen, Hirn,
Trojanischen des Todes,
Einfallstorreichtum

39
Braucht Not die Tugend,
Sinnsuche im Seuchenstand,
Abnutzung erscheint

40
Jüngst am Krisenherd,
mit Sars-Cov-2-Sterne-Koch,
Abspeisung täglich

41
Leben muss weiter,
alt steht der Baum, regungslos,
blattlos die Krone

42
Ausbruch in Wellen,
doch kein Blech der Pandora –
hält uns in Atem

43 [tanka]
Fliege, sechs Beine,
die beiden vorne geputzt,
und die von hinten,
zweites und drittes Bein links,
zuletzt das gleiche auf rechts

44
Bad in der Menge,
kopfüber im Maskenfrust,
Protestosteron

45
Covidiotie,
saskia-espedemisch
der Wortevergriff


 
   
         
     
 
 

I / Poème illusoire

Que je me trouve avec toi
même s'ils sont des petits pas...
hasard, miracle, chance ou destin
pas moins qu'un flirt de vie à novelle fois

Les doux soirs d'un tendre sentiment
sous feus xenon qui passent au ciel vaste
formés comme au manège de l'avenir
spectacle à l'abri des soucis superflus
qu'on pourrait négliger en face des étoiles

Et ça commence comme un poème
beaucoup de choses ils restent differentes
mais est-ce qu'il faut que tout se rime...
je prends ta main et je te laisse la mienne
qu'il fait sourire les fleurs
le long de notre petit chemin de terre

Au fin de jour pourtant des doutes habituels
je m'en y vais dans ma déséspérance –
on se connaît bien, la solitude et moi...

Arrête – nos âmes s'entrecroisent déjà

II / Seekraft

Schön, wenn nichts muss,
wenn nichts soll,
nur sitzen am See,
nur schauen am See,
nichts denken am See,
kein Kuss, der die Sinne befeuert,
kein Blick, der Erwartungen steuert –
den letzten Sommer einatmen,
der Abend kühlt sich schon aus

III / So

Du hast mir deinen Körper entgegengeworfen
und die Leidenschaft oder die Idee von ihr,
als gäbe es kein Morgen – und hast mich getroffen

Du hast deine Liebe zu mir getrieben
und deine Sehnsucht oder die Sehnsucht nach Liebe,
denn die Zeit, die sei kostbar – und hast mich berührt

IV / Flügel

Herzengelflügelschlag in diesen Tagen,
wo unsere Zeit sich weit zerstreut,
uns sucht, uns findet, zögert, sich ereifert
und sich selbst entzündet

Herzengelflügelschlag an meinem Fenster,
wo meine Sehnsucht sich verliert,
dich sucht, dich findet, lodert, sich erleidet
und sich um sich windet

Herzengelflügelschlag auf unserem Weg,
wo unsere Liebe sich verläuft,
sich sucht, sich findet, stolpert, sich anreichert
und sich weiter bindet

     
 
 

V / Blitz

Werd ich haltlos in die Tiefe stürzen,
womit mich heut ein Traum bedacht

Werd ich klagend aus dem Leben fallen,
bleibt aller Sinn rückwärts gewandt

Werd ich Größe, werd ich Weite meiden,
durch Angst und Enge schon gebannt

Werd ich die Zeit, die bleibt, weiter verschwenden,
leert sich mein Haus zum Totentanz

Werd ich achtlos den Edelstein fortwerfen,
der ich schon bin, noch werden kann

Es scheint zu spät, die Kraft dir ausgegangen,
gib dich nur auf und bleib in dir gefangen

VI / Nu

J'aime d'être nu chez moi
et j'en y pense souvent
que j'étais comme ça avec toi

VII / Ufer

Fühle mich in dir gefunden –
und wie ruhig ziehen die Schiffe hier vorbei,
auch selbst voller Fließen und Fluss
mit Gedanken an dich überallhin –

dich in meine Arme schließen,
umschlingen, halten und lassen,
kopfüber, hautunter, herztief

VIII / ...sur mer

Lange Schatten, letzter Blick...
Füße im Sand, es geht zurück,
von Wellen gewogen,
ans Ufer gezogen,
in Sonne getaucht

Lange Schatten, letzter Blick...
Arme verschränkt, fernweg gestimmt,
mit tosenden Fragen,
vom Gleichen getragen,
aufs Warten gesetzt

Lange Schatten, letzter Blick...
Hand-in-Hand-Ort, strandgutes Glück,
in den Abend geschwemmt,
von den Zeiten getrennt,
ins Lichte gerückt

     
 
 

IX / Fazit

Over and out – now ?

Wie könnte es noch weitergehn,
welches es – die Frage

Und – warum will es nicht mehr

Es versteht einander nicht,
es begehrt einander nicht,
es hält einander nicht – aus

Und so geht es um mit uns,
umeinander springt es mit uns –

wie der Teufel

X / Chanson

Vorspiel –

Prison d'amour
»ra ta ta ta ta«
il s'arrête un jour
c'est sur

Tagezählung,
Nächte, Stunden
ohne Schlaf

Abendgrauen, Dämmerung,
bis auch die Zeit vorübergeht

Wochenfraß an langer Weile,
Leidenhaft im Wellenschwung

Zukunftsebbe, Überflut,
knochentiefes Seelennass,
Schleusendruck, Entzweiungsdrang,
spleißiger Zusammenstrang

Nachspiel –

Ping-pong d'amour
»ra ta ta ta ta«
tout en rond le tour
quoi pour ?

[ »ra ta ta ta ta« / Wayne Shanklin /
»Chanson d'amour« ]

XI / Départ

La nuit,
qui ne ferme pas les yeux,
qui ne rêve pas des rêves

Le jour,
qui veut partir et revenir
à ce qui semble tout abandonnè,
même si ça peut dire n' qu'à moi

XII / Kurz

So ging sie hin, die Liebe,
so bleibt sie in Erinnerung,
als was mal lief und nicht mehr geht
und sich in sich selbst verdreht

XIII / Tag 16 im Juli 18

Ich denk an dich, was heißt das schon
in diesen Tagen, solchen Zeiten,
wo Worte aneinandergeraten,
Blicke sich zum Gefecht aufstellen,
sich im Ton vergreifen,
nicht mehr verweilen wollen,
rastlos leere Weite suchen –

Fluchtpunkte verfangen,
so sich der Horizont verloren hat

XIV / Parfois

Les jeux sont faits und aus ist aus,
parfois tristesse, parfois regrets
comment ces deus années
sont à la fin passées

J'ai besoin de stilles Glück
et n' pas du temps nerveux –
parfois quand même
je pense à ceux moments
que nous étions heureux