Bildkrieg

wenn ich Totenbilder sah,
wälzten sich Totengedanken
hinter den Augenblick,
entflohen Totenworte der Hand

wenn ich Totenbilder sah,
entliehen die Schlachtfelder
das Blut meinem Gesicht,
blinde Wut dem kraftlosen Arm

wenn ich Totenbilder sah,
entwichen der Ohnmacht Geruch,
der Sattheit klebriges Rot,
der Gleichgültigkeit Schmerz

als Tod

dann

Atemlosigkeit
hat die Fenster der Zukunft verklebt

Leben erstarrt zu pulslosem Filigran
in gläsernen Straßen der Angst

eine letzte Erinnerung
taucht nach versunkenen Sonnen

sie verirrt sich
im Wrack einer Videoeinheit

verweste Redundanzen
tänzeln in die Tiefe

oben trauern Ruinen
nach dem Vogel der Ewigkeit

sein Lied
verhallt
im Verlies
des Sinnlosen

draußen

sanftes Licht spiegelt sich
hinaus in den Abend,
schwebt in den Winterzweigen
des Straßenbaums,
begegnet meinen Augen
und hört mir zu,
wie innen seine Wärme wirkt

Du

ein Flügelschlag des Blicks ist unterwegs,
läßt mich nicht wissen, wohin er geht;
solang auch bleib ich blind,
bis seiner Rückkehr Windhauch
mir ganz leise flüstert
»Du bist da«

far

come to my lips
come into my heart
I‘m going to get
under flashes of desire

don‘t stay apart
embrace me with a kiss
and walk over
my shivering skin

gefühl

herz of my bodylotion
creme of my nervenbahn
into the heiß meiner
little hairs auf my arms
flimmer to second skin
hunger for inner circles
next page zu seifendrama
take care for the traum
aber walk into gegenlicht
fly on distanz the zwei
moviechairs so you miss
missing link is umarmbar
or entfernteste kisses

Haus

zäh geworden
Gedanken verdicken
Gefühle erkalten
wie Lava verstopfen sie Bahnen
die sie gebrannt
das kalte Feuer klebt auf Wiesen
wie Schorf eines tiefen Schnitts
wo immer auch er den Leib deiner Seele getroffen
und Fruchtbares unkenntlich machte

Grashalme benervt bis in die Spitzen
Träume wie Tau im stockenden Atem

und dein Gerüst zerbricht

mit geübten Griffen
werfen die Meister des Alters
Planken herab

der Stahl vereist

von wo noch
läßt sich der junge Blick
nach vorne richten

Ziele hatten sich davor schon aufgebaut
oder die Angst vor ihnen
bleibt noch die Zeit
nachdem die Fugen zerfallen

Liebe

die Liebe sei wie ein Nest –
zeigt ihren Träumen zu fliegen

me

a secret is
not to have one

Mut

Mut den du brauchst
über die Straße zu gehen
Mut den du brauchst
dir in die Augen zu sehen
Mut den du brauchst
täglich dein Brot zu essen
Mut den du brauchst
einen Anderen nicht
zu verletzen

plötzlich

wie durcheinander schweben
daß blätter wachsen nicht verstehen
sie fliegen fühlen unsichtbar im wind
von eben gestern und schon lange her
und wie so aus dem nichts
ein bunter frühlingsbaum entsteht
ist es als wäre ich verliebt

Regen

Regen
regnet Tränen
die wir vergessen
zu weinen

Regen
regt Pläne
die wir versäumen
zu meinen

Rot

Blindflug durch Erdbeere,
wie Federn taumelt mir
dort meine Innenwelt,
Stahlmaschee süß, und
mit Rot so ganz rot
schließt der Geschmack

Gliederfühler hangeln
sich luftgesprächig im
hormontraubenbelebten
Gebälk, und Honigvampire

spasmatisches Leitsystem
hechelt nach Zungenkuß
zeitzündet Liebe in Sesseln

Schlüssel

Rücken an der Bar,
Zickzackblicke
irren durch
verspiegelte Säulen,
Männer reiten
ihre Abenteuer,
scharfe Augen
tasten den Horizont
wild bockender Phantasien,
die Sonne steht tief
in den Schaumkronen
alter Kindergeschichten,
nervös klimpert
die Freiheit der Straße,
draußen steht Er
und wartet blitzend
vor Ungeduld,
seine Hufe scharren
im Stammhirn

Sonne geht

Taxis wirbeln Staub auf
Jets kreiden ihre Ziele in den Himmel
der Horizont wirft letzte Schatten in den Tag

der Abend lächelt müde
starr hängen Lampen an den Straßen
gleich tropft ihnen Licht aus den Augen
und verkriecht sich im Asphalt

ein Fluß treibt seine Schiffe entlang
neben Spaziergängen Sommergefühle

Tisch

Tisch du warst gedeckt
Gast du warst hungrig

von wußtest du nicht
weit her nach wußtest
du nicht wohin

sahst nicht den Tisch
noch daß er gedeckt
vergeblich dein weg
so auch dein Ziel

der Tisch nicht wert
des Baumes Tod
umsonst der Rebe und
des Weizens Frucht

Versuch

wenig ist schützende Haut unseren Seelen gereift
ohne Sprache oft nackt vor Angst und Verstand
wie jungen Katzen verklebt ihre Augen vergangene Zeit
schwache Schritte und Selbst von Erinnern gebannt

laß nach uns graben, durch weiche Erde uns drehen
bis die Tiefe sich öffnet, wir den Himmel sehen
Indianer sein, verschüttete Spuren zu fühlen
die Wärme der Sterne von innen nach außen führen

wenn Drachen aus Sonne unseren Händen entsteigen
frei doch geheimnisvoll mit uns verbunden sind
werden blühende Feuer, an denen Träume sich weiden
den Tag durch die Nacht in seinen Morgen bringen

Warten

gerne hätte ich Dich
neben mir liegen
und der Wind streichte
über unsere Körper –
jetzt noch besucht er
mich allein

Winter

schneeweißer Regen
schwebt auf und nieder,
ein Vorhang
aus Schwerelosigkeit,
gefangen im Wind

Wolken

die lauten Tage senken sich
in die verfärbten Nächte,
einsame Wachen
stützen ihre Instinkte
hinter geöffneten Augen,
leise gerinnt das Blut
in den Engpässen der Zeit,
selbst Pfirsichhäute sträuben
ihre kurzgeschorenen Fühler,
immer wieder fallen Würfel
und schlagen Wurzeln,
Wolkengewächse vernebeln
das Werden und Gewesene

Zählzeiten

Gefühle für eine alte Frau im Park,
die Enten füttert oder Tauben
oder ihre Liebe zum Leben
oder ihr Warten auf den Tod
oder ihr Nehmen was war,
ist oder kommt

Zeit

nicht in Kreisen, Zeigern und Gehäusen,
nicht in zählenden Geräuschen,
nicht in Palästen flüchtiger Bedeutung –
in Zelten kleinster Augenblicke ruht die Zeit

Interpunk

I.
Kommata stricheln meist am Boden,
Seriphen füßeln wild herum,
sehnsüchtig schauen sie nach oben,
ja Apostrophe sind nicht dumm.

Sie schmücken Reden, Genitive,
sie wechseln sich, das ist doch was,
in Frosch- und Vogelperspektive,
ein Komma, das sitzt nur im Gras.

II.
Zwei Doppelpunkte einst im Chor:
»Das Komma kommt uns einsam vor.«
Sie gaben ihm von Satzes Ende
noch einen Punkt, es kam die Wende:
Das Komma macht jetzt länger Pause,
trägt es als Strichpunkt eine Haube.


III.
Innerer Monolog Doppelpunkt:
»Immer liegst Du oben!«
Innerer Monolog Semikolon:
»Schau ich von oben, bin ich Strich,
andersherum ein Punkt, mehr nich!«


IV.
Gestern sind wir noch gelaufen,
heute gehn wir Kommasaufen.

Neurotisch, der

Tafelschreck, großer, Party?,
nicht wirklich, nein, keine Party,
denn im Schweiße deines Angesichts sollst du
verschweißtes Blattwerk akzeptieren,
Moder in Plastik, hermetisch transportfähig,
nicht anfassen, hygienische Gründe, zuhause befreit,
Geruch, eben, kein Duft, wegwerffähig,
Keinwegpackung – »soul food to go«?

Große Nummer, kleine, System Abwechslung,
Gerechtigkeit, vorne das erste Mal,
dann umso hinterer, 85, 14, 71, 20,
nach Auslassen der Letzte, das – nach Belieben,
dafür die Woche drauf die 1, prima, freie Wahl,
allerdings Orange zuletzt,
Singles, Frauen und Kinder zuerst,
Havarie der Armut, Familien, Behinderte, Vereinzeller

Die meisten wie Reisende, Einkaufstaschen selten,
Roller, als wäre man unterwegs, blickdicht

Profisahne mit allen Schikanen, ultrahoch, erhitzt,
modifizierte Stärke für modifiziert Schwache,
Emulgator E 471, Stabilisatoren E 407, E 466,
na so sieht‘s auch aus, später beim Reduzieren,
frisches Sahneerzeugnis, nicht wahr?, nicht Sahne,
schon garnicht erste und »aber bitte mit«

Und weiter, altes Brot, Übergewichte,
viel Rauch um Alles, selbstgedreht oder vorgefiltert,
braune Fingerspitzen – Gefühle?

...12, 88, 18, 77

[musikzitate: djavan, the manhattan transfer, u. j.]

 
     

Farblichter

...springen wild durch die Tiefe der Nacht. Die Stadt verweigert zu schlafen, möchte Geschichten erzählt bekommen. Pssst, mein Kind, du musst nur lauschen. Ein zarter Klang zieht mich durch die Straßen, konzentriert, ihn zu genießen, bedacht, seinem Zauber nicht zu nahe zu kommen, ihn zu löschen. Die Schritte verlangsamen sich, sollen irren, sich in Gedanken und Erinnerung verlaufen. Atme durch mein Gehör, mein Gespür für unbesetzte Töne, keine Melodie, keine Skala, kein Geschlecht. Nur Tropfen stehen wie Sterne im restlichen Rauschen der Zivilisation. Ein leichtes Echo. Schreiten im wohligen Dunst aus Gestern und Jetzt. Kenne ich sie doch gut, die alles umfassende Einsamkeit, aus der sich wohl manche Stimme erhebt und in die wesentliche Welt versendet, verschwendet – Dunkelheit – »shelter, it's just a shot away...« Er ist in mir, ganz Verwegenheit, aus ihn hinaus in ihn hinein zu treten – Kern meiner Fantasie, auch Liebe.
Dann vor mir ein Fluss, wie er zwinkernden Lichtrest zum Meere geleitet. Darüber blaues Schwarz, zum kosmischen Tanz mit dem Immer vereint. Am anderen Ufer, im Klangraum der Brücke, will nur ein Leben in Schwingung behalten, was wie Beten behutsam der Finger tastendes Spiel in die Ewigkeit schickt – »a remark you made«

[musikzitate: the rolling stones, weather report]

Das Kraninchen

Es war früher Abend. Die Sonne stand tief und warf lange Schatten. Ferne Wolkenflügel beeilten sich, dem Licht eine warme Decke unterzulegen. Ein Kraninchen schnupperte an der feuchten Kühle, die sich langsam in den Gräsern fing. Wehmütiger Dämmer legte sich auf sein Gemüt und warme Sommererinnerungen durchfluteten sein kleines pochendes Herz. Die Löffel lauschten in die Weite. Was war das? Ein leises Surren trug sich wie ein Windhauch durch den Himmel. Es schaute auf. Nichts, was sich dem scheidenden Tageshell als Antwort auf der Ohren Reiz entnehmen ließ. Warten, leiser Standortwechsel. Umher geblickt, und da, die feine Nase bebte, große Augen lenkten das Spiel nach innen unter das sich kaum merklich sträubende Fell. Ein Schild aus vielen Punkten schwärmte hoch oben durch das rosablaue Dunklerwerden, inzwischen Rauschen und durchdrungen wie von kommandoscharfem Ton, einziger Schrei gen dort, wo nach langem Flug viel wärmendes Sein verlockend west.
Das überwältigte Kraninchen schüttelte sich. War es es selbst, das aus just dräuenden Gedanken sprach? Ward es vom Fluch der Kranegos eingeholt, stets das Ferne, Unerreichbare als Maß der Dinge zu kranickeln? Pardautz und Löffelputz - nichts schlägt doch je den Duft des tauen Grases, misst je Elan des Pfotensprungs, Glimmer des Schwänzelweißes, noch Taumel des Genenprunks…

   

Tafelsilben

1
rückcare versichert
gesellschaft in reih und glied
fesselndes schauspiel


2
hintangeständnis
schlangen an nochgenießbar
amtlich ehrensacht


3
übereinkünftig
mängelexemplarisch frisch
woche um woche


4
zumutbarkeeper
subsidijahre vergehn
anstand zum appell


5
demutantenball
hans im noch-mal-glück-gehabt
und gretel dazu


6
brühwürfel fallen
schmalhemd küchenmeisterlich
suppen eingebrockt


7
zur not altes brot
zum frühlingsrollenspielplan
herbst/wintersaison


8
armut im anzug
fadenscheiniger ornat
macht hinterhofstaat


9
transmissionarisch
bürgerschaffend geborgen
handaufenthaltung

...

10
alteisenhaltig
entmündigtes maul gestopft
schichten auf halde

11
der kontoauszug
ganz das fürchten zu lernen
sollbruchstelldichein


12
alltagsprozession
vorweg kreuz in leidkultur
auflaufen lassen


13
ohnmachtsgefügig
prozetern im zauderwelsch
res publikanik


14
hintergrundrauschen
overnightingale express
stummes crashendo

15
kartenausgabe
tagesration ergo sum
gezinktes leben


16
mais »les jeux sont faits«
parallelweltversagen
nicht doch bedauern


[filmzitat: jean-paul sartre]

17
tafelgebirge
unwegsamkeitsstudie
grundschwindelerregt


[ haiku XXIII-XXXIX ]

 

haiku XL-LIV

XL [tanka]
wortwechsel stromschnell
wendungen sprechgeblasen
scheuern ertragreich –
fluide sekretionen
kanalüberall

XLI
24/7
still dumping jack in the box
ravages of time

XLII
rundum bereitschaft
arbeitsmarktkontrastmittel
flexibilligheim

XLIII
walking on zahnfleisch
mitlachen miene machen
zeigen hand und fuß

XLIV
prekärkonsolat
desolut sitzfleischwillig
klickirrationiert

XLV
grundbuch wesenszug
imponderabel und kain
waagenzungenschlag

XLVI
sozialtardienst
demut nach wie vor dem fall?
beugeverhaftet

XLVII
vorurteilnahme
plapperazzi im anschlag
pauschaler geschmack

...

XLVIII [tanka]
las viele bücher
leben lieben seele geist
so manches verschwand
spiegel eigener leeren
zerbrach sie – verstand

XLIX
tisch und freundeskreis
kreuzweises gegenüber
sinnesmundoffen

L
wenngleich wir alle
samt weichen pfoten lieber
im dunkeln trauern

LI
ich konnte mich mal
hab mich dann doch vergessen
verlernt ist verlernt

LII
vater land stadt fluss
schlagende wettergewalt
naturteil im blut

LIII
traum oder armut
gewichtiges anagramm
wenn es um rat raumt

LIV
kultur alte sau
wollmilcheiergelege
madiges gemächt