Solar

Es bleibt sich Wunder, des morgens Sonnenschein, auch durch den hellen Tag, dann später Abendröte in den Augen, und Kitzeln an den Genen sicherlich; wie sonst wohl wären wir gekommen und das andere Getier in Gräsern, Wäldern, Steppen, Wüstensanden, Meeren, See und Ozean?

Erwarten wir denn, so Jahrzehnt um Jahrhundert doch die gleichen zu bleiben, dass nur Alter und Zivilisation im Wandel begriffen, hinfortentwickelt? – das lassen wir mal ohne Kommentar.

Was Hirn und Hände schufen, beließ es sich dem Verfall, führte weltumspannend seine Kruste zu entropischer Blüte, in einen Seelenzustand universaler Ruhe und erdgebundenen Appeals.

Nach allem Streben über den Meeresspiegeln und tief hinunter an den innergleißen Kern bleibt kavitätisch fossile Wesenheit nicht länger Blutzoll jungfräulicher Natur.

Ja, wenn die Sonne macht der Zellen Treiben, Spalten, Wachsen, Copy and Paste, Clone, Codierung und Delete – Musik zum glimmen Knistern eines Flächenbrands...

 

Tohk

Die Sprache verlassen,
wie sie verlässt,
nicht länger Verlass,
nicht mehr
als auf Krücken
beim Gehen,
bis das Gehen
wieder gesund

Die Sprache verlassen,
Rivalin des Erlebens,
Mitteilungsbedarf
zum Ausverkauf
am Wühltisch
»Beliebigkeit«,
leerläufiges Leck,
das Boot des Gemeinen
sinkt auf babylonische Tiefe,
wo Muränen lauern,
verwirrende Ziele

Die Sprache verlassen,
ihrem Sog widerstehen,
schweigen, erleben,
schweigen und sinnen
und füllen –
die Speicher »Instinkt«
und »Vertrauen«

Und sonst

Hirn, wahres Egoist,
Komplexekomplex,
Schmarotz, aliender,
seinen Wirt bei Laune zu halten

Was ist da wieder los?
Vogelgezwitscher,
Wärme besteigt die Schöpfung,
sklavische Programmatik

Sonne lacht? Das Herz?
Grinseblümchen überall,
schlagende Wetter, Klimaktivans

Dichter ergehen sich im lauen Luftdruckgefälle,
Sprachschleier umflort graue Substanz,
Gebets- versus Tretmühlenartige,
Hormonfluchten, kleine

Da schnitzt es sich besser Salatbesteck
oder wirkt sich einer den Lendenschnurz

Und sonst?

Hüftgelenkweitwurf, Bypassbespaßung
zum Exire–humanum–est, Transplantagengedeih,
Zellhaufenkulturbeutelratten bevölkern Prothesenregister,
kultivieren sich End- in Nährlösungen

tribut an s. b.

wundkluges buch,
wehe,
dich zu verschlingen,
sich in dir

leidoutfit,
scheuergewoben,
enganliegend,
passgenau

»kompliment, leser,
ich wurde geschrieben,
du hast nur gelebt«

offen

lautes schweigen, silbergold,
durchwirkt verhaltensweise
inwelt und außenleben,
zierfischt umher, fühlt sich frei,
keine blöße zu geben –
stummschaltungsdialoge,
updaten doppelt entzwei

Rundum

Fische im Bottich, Dümpel im Teiche,
im Garten, da schießen die Kräuter,
Madenidylle ist noch die Leiche,
Safaris, die zeigen Dickhäuter

Augenlied

Sonnenstrahlen – verschweißt
mit dem Weg durch den Wald,
der Bank neben dem Bach,
der Fliege auf meiner Hand,
Wolken über dem Grün,
Kinderstimmen von fern,
dem Kräuseln des Sees

   
 

Zahlen

Wie schon gesagt, erst vorne,
dann 85, 14, 71, 20...,
zu spät dran, ganz nach hinten,
die Wochen danach, 12, 88...,
sieben bisher, ja, warum auch nicht,
ich, ein Leben...
Herr Ober

...18, 77, 27, 73, 10

Och Tober

Irgendwie ist immer der Zwölfte,
dann Mitte und ganz schnell der Letzte
des Monats und ähnlichen Teilens –
eben nämlich war‘s noch der Erste.

Wenn das so weiter geht,
dann wundert es auch nicht,
dass das Zeitengleiche
nur schlecht Vergehen tarnt.

13

a, b, c, d, e, f, g, h, i, j, k, l, m,
un, deux, trois, quatre, cinq,
six, sept, huit, neuf, dix, onze, douze, treize,
eins eins null eins,
glück, kein glück, aberglaube,
jung an jahren, 1966,
zeiten, waren das welche?
auch, von mir aus,
satisfaction-times-they-were-ein-ändern,
auf dem dorf und schon verliebt, erika rogge,
soviel authentischismus muss sein,
karl-heinz kaufmann, stones-to-go,
1979, 1992, 2005, ratz fatz,
schnell kanns gehn,
5 : 8 : 13, goldener schnitt,
13, 26, 39, 52, 65, 78, 91, 104, 117, 130, 143, 156, 169,
mittleres einmaleins, zum quadrat,

1, 3, 6, 10, 15, 21, 28, 36, 45, 55, 66, 78, 91...
es treffen sich zwei auf ihrem weg,
position 12 und 13 hier, mal 6, mal 7 dort,
und 6 plus 7...
da draußen scheint die sonne
am dreizehnten oktober 2011
um 17 Uhr acht, auch schon früher
und noch etwas länger heute
bis sich der horizont vorüberdreht

...105, 120, 136, 153, 171, 190, 210, 231, 253,
276, 300, 325, 351, 378, 406, 435, 465, 496, 528,
561, 595, 630, 666 (sic), 703, 741, 780, 820, 861,
903, 946, 990, 1035, 1081, 1128, 1176, 1225, 1275,
1326, 1378, 1431, 1485, 1540, 1596, 1653, 1711,
1770, 1830, 1891, 1953, 2016...

merkwürdig schon, oder?

Mondsicht

Als der Mond schien helle,
muss ihm doch irgendetwas
durch den Kopf gegangen sein –
zumindest blinzelte er dabei
in die Sonne.

TW

Weinich?

Tafelwasser in den Augen – Salzgeschmack medium
und wer leckt noch an meinen Tränen?

Weingarnich!

Schaltung

Sommerzeit, Winterzeit,
Normalzeit oder nicht,
wer weiß das noch,
doch im November
hin zum Winter,
wo jedes Licht
uns eine Kostbarkeit,
gerade des Abends –
da stiehlt
stundengekürzte
Manipulation
dem sachten Nahen
dunkler und kalter Tage
diebisch fünf Wochen
in einer einzigen Nacht

»unbehaust«

Das ist die Art,
wie Worte schlagen,
unschuldig, wenn auch,
folgen sie nur dem,
was war im Anderswann
und Anderswo

Die Kunst trug es heran, ein Film,
heute Kulturgespräch im Äther,
Fiktion hermetisiert in Pixeln,
warmweichen Kinosesseln
und wohligen Gemütern angedacht,
sich effektiv Distanz zu vergewissern

Es hörten zu, in deren Herz
sich Angst schon wahrlich
fruchtbaren Boden ausgebracht
und echte Schläge schlug

77

Zweite Station der Kindertage,
dann Umzug, 99, noch im Nest,
fünf Jahre später,
Freiheit, die ich meinte, wir,
sie und ich,
von K nach D, 48,
return to solo in MB, 59,
back in D, 24,
61, 19, 3a, 9, 32,
da zuletzt zwanzig Jahre,
bis heute,
zwei Monate vor dem Nichts,
tabula rasa des Lebens –

eine ganz andere Hausnummer

und heute gab‘s Blumen
für jeden Fünften,
für jede fünfte Nummer,
meine die 77

kleines Glück beginnt bei 2,
Tafelfreuden

Margeriten, in Plastik,
kleine Blüten, schöne Geste

Früher, an der 77,
da tanzten die Schmetterlinge im Garten,
da liebte der Bruder die Nachbarstochter,
da schnitt ich ihnen die Flügel,
der flatternden Unschuld, noch Kind –
schon ganz ohne Flügel?

Im Januar

Umsichtige Begegnung,
gaumetrisches Miteinandern,
melangierte Impulse,
für den Moment eines hellen Tags

Eindrücke im Innern und außen,
Geleise, Geleiten, Formen, Formate,
Muße au Chocolat;
lasagneske* Reminiszenz,
Gastlichkeiten, gedeckter Tisch,
Sorgenreichtum, Kümmerliebe
in wohlbehaustem Labsaal
der vorörtlichen Aura
einer gernegroßen Stadt,
umworben vom Fluss
mit ausladender Mäanderschaft

Refugialkräfte, von gestern her,
die an Zeiten kitzeln
und staunendem Wehmut
emsiger Schritte durch den morgenden Tau
rotsonnenorangenen Lichts

Wenn schon der Winter
sich hinter kaltweißer Maske
den Vorfrühling kaum verkneifen kann
und in den Menschenabend lächelt...
hindurchglühendes Leben,
immer wieder, bis spät und zuletzt,
tief atmendes Feuer,
um das wir uns schnurrend winden,
katzenselig –
Freudenschimmer
von unter der Haut

[*) Agnes, Mutter d. Autors]

 

Valentinade

1 [tanka]
drängendes datum
liebesformalitäten
herzblumenweitwurf –
vierzehnter februartag
sichsehnsuchenklebkuchen

2
haikugelrunde
platonischenunterstand
wortejakulat

3
arm mit arm gehen
leben von liebe und luft
traum in märchenhaft

4
funny after all
today I‘m valentiny
10cc question

...

5 [tanka]
fragezeichenstumm
viele augenblicke schon
zeitweise geduld –
meinen arm um dich legen
wie hand in hand sich geben

7
datum wie sonne
denn sie bringt es an den tag
zu lieben und nicht

8 [tanka]
vierzehnter zweiter
gut wenn dieser tag vorbei
alleinstellungsmal –
wenig liebe in armut
bio-logischer denn je

[ haiku LV-LXII / ohne 6/LX ]

 
 

anfütterung

komm vogel, friss meinen frust,
komm fisch, angle meinen haken,
komm funke, erhelle meinen schein,
komm gelegenheit, sei mein zuwider,
mir affe, deinem zucker –
komm gefühl, sei mein verlassen

haiku LXIII-LXVI

LXIII
all die gedanken
in einem kuss ertrunken
nein – luftkissenschlacht

LXIV
concerning lovecheck
large headroom collusion
physical fusion

LXV
wir königskinder
vom kopfbahnhof silbersucht
im gezeitenreiz

LXVI
me still disliking
them ladies‘ idiom »schwanz«
somehow pretending

klammertext

komm ruhig vorbei
[es macht mir nichts aus,
dich zu sehn]

schon attraktiv
[aber deine probleme sind nicht meine]

Im Märzen

Ein dichtes Grau noch wehrt sich gegen des Frühlings Sonnenstand,

drüber das Blau trachtet dem Horizont Farblosigkeit zu reißen,

frostschale Erden befällt Erinnerung an früchtetragendes Geheiß,

die Spur von Wärme, es trägt sich mancher Duft –

und letzte Knoten löst das Winterband

reset

gesten blindlings zugerichtet,
zeitabgetrieben fernbedient,
monitorsynapsenfeuer,
netzhäutung flatlineprogrammiert,
hertzbetont pupillen flackern,
ein ruheloses sinneswund

einsamkeit hallt in ausgeräumten arealen,
darin sich reger geist von jahrmillionen fand,
schimäre gondeln trauer durch den nebel bahnen,
apathisch leerer zug ins dämmerlicht zu tal

Spaziergang 11.3.12

Zwei Pferde grasen hinterm Knast,
lustlos pariert der Mops »Umberto«
auf Herrchens zärtlichen Befehl,
am Brückenholz rankt wild die Rose
dornenbewehrt zum stillen Bach

Ein weißer Ritt dort unter hohen Mauern,
Kulisse, Schicksal tausendfach
vollzogen und zu leicht befunden
im Regelspiel der Menschenschaft

Da hinten auch die Hundemeute,
sonntäglich durch den rauhen Wind geführt,
auf Stadtrandabstellgleisen Stahl
in langem Strang zu Stahl rangiert,
und noch vom weiten See ein breiter Schimmer
sich schickt durch winterlichten Baumbestand

lenz

abhandlung in drei szenen

I
birke im hof, du alter schimmel,
stehst da bewegungslos,
sinnierst bis tief hinunter zu den wurzeln
und peripher verzottelt dir die mähne;
schau nicht beleidigt hier herein,
denn bald schon schlägst du aus nach mir

II
die pediküren haben konjunktur,
staubfeines horn liegt in der luft,
en vogue und implantiert ist wadenhaar;
zungen stehen schlange,
sich kugelsüß den hals zu kühlen,
eismaschinen laufen heiß,
und entlang an gläsernen fassaden
beschlendert cooles aggregat i-phorisch trottoirs

III
diverses räderwerk gibt sich ein stelldichein,
da schwingt es links, rechts, links, so fort,
dort balancieren schräggestellte statuetten
wie ferngesteuert ihre akkus durch den wind,
auch gar nicht selten schiebt silberhaar
der sphinx ein neues rätsel unter,
relaunch mit drei auf sechs zum abend hin

wie schön, wenn lebenszeit der jahreszeit zuwiderläuft,
im besten fall so was wie zweitem frühling hinterher;
die biouhr beileibe hat wieder alle rösser eingespannt

Schwarzbachimpressionen

Eisenzeitgehöft,
Kräuterbeetstätte,
Konferenz der Birken,
Sukzessionsszenario,
talking trees corner

Stadtbahn rauscht,
Güterzug stöhnt,
Vogel switchert Stille

Abendgeläut,
Maiandachtsgefühl
schon märzmäßig

Altlaubsirren,
Klinikfensterklänge,
Suchtuntersuchungsleben

 

haiku LXVIII-LXXIII

LXVIII
aufzug himmelschwarz
darunter querlage licht
beaufortissimo

LXIX [tanka]
leuchten im auge
klare wetter blätterwind
und weitreicher blick
der moment verspricht und hält
schattenversonnen

LXX
herbstlaub kronenstolz
abgestreift das sommerkleid
liegt es zu füßen

...

LXXI [tanka]
der stern, den man sieht,
ist doch nicht das sonnenlicht,
das uns sehen macht –
weit vom kern allen ursprungs,
zeitvor verdichtet

LXXII [tanka]
rat, ich höre dich,
auch unbefolgt dein leuchten,
wo dunkel und falsch,
so den gebern noch dauert
der freundschaft gewicht

LXXIII
apnoëtisiert,
für die eine stunde nacht?
zeitfucktor, greenwichs
[zum 27.10.2013]

 


 

Au jardin des arts

Der Blick ist vom Vorüberziehn der Bilder
so müd geworden, dass ihn nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob Myriaden Bilder wildern
und unter allen Bildern keine Welt.

Aller Bestand flirrender Mosaike,
der sich seit langer Weile umeinander dreht,
ist wie das Wanken einer großen Mitte,
in der berauschter Wille sich ergeht.

Und manchmal hebt der Vorhang wirren Sehens
sich schweigend auf –. Dann weht ein Sinn herein,
weht von den Feldern weitdriftenden Strebens –
und fügt sich in ein Ganzes ein.

[frei nach Rainer Maria Rilke, »Der Panther«]

Fund

Kleines Gestühl, Leisten und Streben,
aufrechte Winkel, ungeziert und fest –
so greift es Raum, bestimmungsvoll,
versunken, still, irgendwie hingeneigt

Echolot aus alten Kinderjahren
ins Treiben langer Eigenzeit –
»ein Sitz, ein Thron, lachendes Königskind,
Ansporn mit auf den Weg gegeben«

Kleines Gefühl, zwischengespielt,
belebte Windung – unbeirrt erkannt
im nachhinein und Blick zurück
noch den beseelten Gegenstand

Vagnis

Einmal in den Wolken wandern,
die Spur durchs Weiß zum fernen Blau,
eignem Blick vorhergetrieben
den Grat der Fantasie passiert –
über manchen Weg verwundern

Feedback

Zahlloser Blätter Windspiel,
leitet morgendliches Sonnenlicht herein,
gesprenkelt der Durchblick zum Hinterblau,
Birkenstamm, hellschimmernd und Halt
des flirrenden Sommergeflüsters

Ausschüttung treibender Wohlgefühle –
die Sinne melden Schönheit ins Geäder
und Nervengeäst